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VON DER BAUSTELLE
VON DER BAUSTELLE
ArmaflexCryogenic Systems im
KernfusionsreaktorWendelstein7-X
Es ist ein alter Traum derMenschheit, die Energie der Sonne auf der Erde
nutzbar zumachen. Sternewie unsere Sonne erzeugen Energie durch Ver-
schmelzung vonAtomkernen. DieKernfusion verspricht eine schier unend-
liche Stromproduktion bei minimalem Brennstoffeinsatz ohne Risiko kata-
strophaler Störfälle. Anders als bei der Kernspaltungwerdenhier nur sehr
geringe Mengen an Radioaktivität erzeugt. Physikalisch ist die Kernfusion
möglich. Diewissenschaftliche und technischeMachbarkeit der Energieer-
zeugungausKernfusionwird seit über 50 Jahrenerforscht.
Bei der KernfusionverschmelzenWasserstoffisotope zuHelium. Bei einem
Druck von etwa 2 bar wirdWasserstoffgas auf Temperaturen von 100 bis
150Millionen Grad Celsius erhitzt, die Elektronen in den Atomhüllen und
die Atomkerne so voneinander getrennt und in ein elektrisch leitendes
Plasmaüberführt.Die zurzeiterfolgversprechendstenReaktorkonzepte sind
Tokamaks und Stellaratoren. Der weltweit größte Stellarator entsteht der-
zeit imMax-Planck-Institut fürPlasmaphysik inGreifswald: Wendelstein7-X
ermöglicht denmagnetischenEinschluss von Fusionsplasmen im Dauerbe-
trieb. Der 1997 begonnene Neubau wurde im April 2000 bezogen. Ende
2003 wurden die ersten Großkomponenten – eine nichtplanare supralei-
tende Spule und der erste Sektor des Plasmagefäßes – geliefert. Seit Mai
2014wirddas Experiment jetzt schrittweise inBetriebgenommen.
Tiefstkälte sorgt für supraleitendeMagnetspulen
Stellaratoren erzeugen das zum Einschließen des Plasmas nötigeMagnet-
feld über außerhalb des Plasmagefäßes angeordnete stromdurchflossene
Spulen. BeiWendelstein7-X sinddieseSpulen supraleitend, d. h. eineinmal
eingespeister Strom kann darin ohne elektrischen Widerstand beliebig
lange fließen und dasMagnetfeld somit dauerhaft aufrechterhalten. Dazu
werdendieSpulenmit flüssigemHeliumgekühlt.DiesupraleitendenSpulen
unddie sie tragendenStahlstrukturenmüssen sowohl gegendieUmgebung
alsauchgegendasheißePlasma thermisch isoliertwerden. NachdemPrin-
zip einer Thermoskanne (allerdings ist hier das kalteObjekt innen) werden
sie in einem sogenannten Kryostaten gekühlt: Die Spulen befinden sich in
einemVakuumtank, der durch das Plasmagefäß einerseits und das Außen-
gefäßder Anlageandererseits gebildetwird. Kryoschildeumgebendie Spu-
len und halten – selber gekühlt – restlicheWärmestrahlung von ihnen ab.
Den Zugang durch dieses Vakuumgefäß und zwischen den supraleitenden
Spulen hindurch zum Plasma – etwa für Heizung, Kühlleitungen oder Dia-
gnostik – ermöglichen 254 rund 1,8m lange ebenfallswärmeisolierte Stut-
zen (sogenanntePorts). Zur Versorgungdes Stellarators dienendieHelium-
Kryoanlage, dieSysteme zurWasserkühlung, dieVakuumpumpen sowiedie
Anlagen zur Bereitstellungelektrischer Energie.
Währendder Experimentemüssen trotz thermischerDämmung5 kWWär-
meleistung abgeführt werden, um dieMagnete und ihreAbstützung (rund
425 TonnenMaterial) auf Supraleitungstemperatur zu kühlen bzw. kühl zu
halten. Diese dauerhafte Kühlung ist durch die Restwärmeleitfähigkeit der
eingesetztenDämmwerkstoffe bedingt. Bei Temperaturen nahe dem abso-
lutenNullpunkt kanneineKühlungnichtmehr voneiner üblichenKältema-
schine geleistet werden, sondern benötigt flüssiges Helium, das bei 4,22 K
(−268,93 °C) siedet. Dieses Kühlsystemmuss in hohemMaß gasdicht sein,
damit keinHelium in das Isoliervakuum des Stellarators eindiffundiert und
dort die Isolation verschlechtert.
Dämmung der Druckentlastungsleitungmit Armaflex Cryogenic
Systems
Zur Dämmung der Helium-Druckentlastungsleitung setzte die Projektlei-
tung das innovative Tiefkältesystem vonArmacell ein. Armaflex Cryogenic
Systems sind speziell für kryogene Anwendungen entwickelte Dämmsys-
teme für einen Temperaturbereich von -180 bis +125 °C. DieMehrschicht-
systeme gewährleisten eine hervorragende thermische Dämmung, verrin-
gern das Korrosionsrisiko unter der Dämmung (CUI) und lassen sich
wesentlich einfacher als Hartschäume installieren. Kerndes Dämmsystems
ist Armaflex LTD, ein speziell entwickeltes Polymer, das thermischen Span-
nungen vorbeugt. Armaflex Cryogenic Systems bewahren ihre Flexibilität
auch bei Tiefsttemperaturen. Diese Flexibilität gewährleistet, dass Schwin-
gungen und Stoßbewegungen absorbiert und Rissbildung durch extreme
Temperaturzyklenvermiedenwerden. EinwesentlicherVorteil der Tieftem-
peraturschäume liegt darin, dassdieSystemeweder zusätzlicheDehnfugen
nochDampfbremsenbenötigen.
SpeziellerDämmaufbau
Auf der Druckentlastungsleitung des Wendelstein 7-X Stellerators wurde
ein speziellerDämmaufbauverwendet: UmdenmöglichenVibrationender
Rohre besser standzuhalten, wurde je eine LageArmaflex LTDAnti-Abrieb-
folie sowohl direkt auf der Leitung als auch auf der ersten Armaflex LTD
Dämmschicht eingesetzt. Sie gibt der Isolierung einehöhere Festigkeit und
dient als zusätzliche Dampfbremse. Es folgen eine weitere Lage Armaflex
LTDundeinedritteDämmschichtausNH/Armaflex,demhalogenfreienElas-
tomerdämmstoff vonArmacell. AlsAbschlusswurdeeineweitere Lageder
Armaflex LTDFolieals zusätzlicheDampfbremseaufgebracht.
Bei der InstallationwurdehöchsteSorgfalt auf diepassgenaueund saubere
Ausführunggelegt: JedeLagewurdeschrittweiseaufgebrachtunddannvon
einemProjektingenieur kontrolliert. FürdieBogen indenunterschiedlichen
Radienwurden die Abwicklungen zunächst auf Papier ausgedruckt, ausge-
schnittenunddannalsVorlage für das Plattenmaterial genutzt. Dieausfüh-
rendenMitarbeiterdesMax-Planck-InstitutswurdenvonArmacell vordem
Start der Dämmmaßnahme inder Anwendung der Produkte, insbesondere
inderVerklebung, geschult.
Wendelstein7-X steht indenStartlöchern
Die Inbetriebnahmeder Fusionsanlage ist in vollemGange: NachderMon-
tage aller nötigen Einbautenwurdedas PlasmagefäßMitteMärz geschlos-
sen.Das erstePlasma soll noch2015erzeugtwerden.
(HeikoKind)
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